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Auswahlkriterien für einen guten Pflegedienst

Diese Seite entstand durch die Arbeit des "Arbeitskreises Ethik und Sozialpolitik der KKL, Frankfurt am Main", der das untere Papier erstellt hat. Es darf gerne zitiert werden, wenn dabei die Herkunft und die Verfasser angegeben werden.
Sie finden hier zwei verschiedene Kataloge von Auswahlkriterien vor, die es Menschen mit Behinderung erleichtern sollen, den für sie passenden Pflegedienst zu finden. Den ersten Katalog haben wir im Internet gefunden und für sehr bedenkenswert gehalten. Da er leider dort nicht mehr zur Verfügung steht, haben wir die Verfasserin gefragt, ob wir ihn veröffentlichen dürfen. Sie hat zugestimmt.
Wir empfehlen, sich die beiden Kataloge durchzulesen und dann die Punkte hervorzuheben, die einem besonders wichtig erscheinen. So entsteht eine persönliche Prioritätenliste für den Kriterienkatalog. Bleibt zu hoffen, dass es in Ihrer Stadt auch Pflegedienste gibt, die sich auf Ihre Kriterien auch einstellen können. Wenn nicht, machen Sie die Pflegedienste darauf aufmerksam, dass Sie Ihre Kriterien eigentlich gerne erfüllt sähen.

Auswahlkriterien
bei der Suche nach dem geeigneten Pflegedienst

von Maria-Cristina Hallwachs

Bevor Sie auf die Suche nach einem Pfledienst gehen, sollten Sie Ihren individuellen Pflegebedarf klären. Sie können sich zunächst mit Ihrer Hausärztin oder Ihrem Hausarzt beraten oder, soweit vorhanden, eine Pflegeberatung aufsuchen. Auch das Gutachten des Medizinischen Dienstes sollte sich zu ihrem Pflegebedarf geäußert haben. In einem zweiten Schritt können Sie überlegen, welche Hilfe Sie gegebenenfalls mit Angehörigen, Freunden oder Nachbarn organisieren möchten. Sie wissen dann, welche Leistungen Sie bei einem professionellen Dienst »einkaufen« sollten, und können entsprechende Angebote gezielt einholen.
Vor Abschluß eines Vertrags sollten Sie alle wichtigen Fragen mit der Pflegedienst-Leitung besprechen.

Die folgende Checkliste ist ein gutes Hilfsmittel für dieses Gespräch. Anhand des Fragenkatalogs können Sie die Qualität des Pflegedienstes prüfen. Sie bekommen damit wichtige Entscheidungshilfen bei der Wahl des richtigen Dienstes. Nicht zuletzt hilft die Liste dabei, dass kein wichtiges Detail vergessen wird.


Margarete Schwarze ist Kundenvertreterin, denn ihr Mann braucht viel Pflege

Der folgende Kriterienkatalog wurde vom "Arbeitskreis Ethik und Sozialpolitik" erarbeitet. Er besteht aus einem Vorwort, den Kriterien und Kommentaren, die eingerückt stehen.

Wünsche an einen optimalen Pflegedienst
aus der Sicht behinderter Kundinnen und Kunden

Grundsätzlich gilt: Selbstbestimmung auf möglichst vielen Gebieten möglichst breit gefächert bei eigener Verantwortlichkeit. Das Leben eines Menschen mit Behinderung soll sich in seinen Möglichkeiten möglichst wenig unterscheiden von dem eines nichtbehinderten Menschen.

Wir gehen davon aus, dass jeder, zumindest jeder erwachsene Mensch ein Leben führen soll, das so weit irgend möglich von ihm selbst bestimmt wird. Daran ändert auch Behinderung oder Pflegeabhängigkeit nichts.
Gerade dadurch unterscheidet sich auch das Leben in einer Privatwohnung von einem Heim. Während in einem Heim der Ablauf der Routinen und die Personalsituation und der Personalschlüssel die Grenzen der Selbstbestimmung aufzeigen, besteht in den eigenen Wänden die Möglichkeit, die Assistenz nach den eigenen Bedürfnissen zu regeln. Dies bedeutet allerdings für die Mitarbeiter im Pflegedienst, dass es sich nicht um ein gleichberechtigtes Miteinander von Pflegeabhängigen und Pflegekräften handelt, sondern dass Pflegekräfte bezahlt werden, damit sie Pflegeabhängigen "dienen". Pflege ist eine Dienstleistung, und es wäre ein schönes Ziel, wenn auch in diesem Bereich Kunden als Könige betrachtet würden.

Seit Einführung der Pflegeversicherung wird viel über Qualität in der Pflege geredet; leider erschöpft sich dies in formalistischen Aspekten: Die Büroorganisation des Pflegedienstes, die Qualifikation der Pflegedienstleitung (PDL) und der Pflegekräfte werden geprüft. Von Qualität ist erschreckend selten die Rede, und wenn, dann fragt kaum jemand die Pflegeabhängigen, was sie unter Qualität verstehen, wo ihre Prioritäten sind. Dabei kann eigentlich nur jeder / jede Pflegeabhängige selber entscheiden, was für ihn / sie gute Qualität bedeutet. Denn die Erfahrung zeigt, dass sich Qualität nicht (egal, mit welchen Mitteln) zu einem einheitlichen, monolithischen Kanon zusammenstellen läßt, sondern sich in wesentlichen Punkten unterscheiden kann. Dem einen ist Flexibilität und Anpassungsfähigkeit wichtig, einem anderen Zuverlässigkeit und präzises Ausführen einmal einstudierter Abläufe.
Wichtig ist hier vor allem zu differenzieren, ob von Qualifikation die Rede ist (wenn ja: welche Berufsgruppe wird gewünscht?) oder ob ausdrücklich LaienhelferInnen gewünscht sind, die von dem Kunden / der Kundin angeleitet werden.
Unabhängig davon ist die Frage, in welchem Umfang Kräfte beschäftigt werden - manche bevorzugen (flexiblere) Teilzeitkräfte, andere sind - schon vom Gesamtumfang her - auf Vollzeitkräfte angewiesen, da sonst bei 24 Stunden täglich an die 30 Pflegekräfte koordiniert werden müßten; in einer solchen Situation muss der Wunsch nach Vollzeitkräften selbstverständlich sein, um den Kreis der MitarbeiterInnen überschaubar zu halten. Immer wieder gibt es übrigens das Mißverständnis, Laienhelfer seien ZDL, Ehrenamtliche oder ähnliche; spätestens wenn es um Vollzeit-Laienhelfer geht, stößt man bei vielen Stellen auch heute noch auf Unverständnis.

Auswahl und Einsatz müssen auch dann vom Pflegeabhängigen bestimmt werden, wenn sie/er einzelne Tätigkeiten aus diesem Komplex (z.B. Anzeigen aufgeben, Vorauswahl in Erstgesprächen) an Dritte delegiert. Wichtig ist im Alltag zu bestimmen und zu wissen, wer wann kommt.

Es muss eine Ausfall-Sicherung geben, z.B. als "Springer". Wenn Springer jedoch nicht mit der Situation der/des Pflegeabhängigen vertraut sind, könnte man genauso gut "irgendjemanden" schicken. Wichtig ist auf jeden Fall, dass bei der Gestaltung des Einsatzes eine Absicherung für den Fall eingebaut ist, dass eine Pflegekraft ausfällt.

 

Als eine der ersten Fragen ist von der / vom Pflegeabhängigen festzulegen, für wieviele Stunden pro Tag an welchen Tagen und zu welchen Uhrzeiten HelferInnen benötigt werden. Auf keinen Fall darf gefordert werden, dass Pflegeabhängige sich nach dem Einsatzplan des Pflegedienstes zu richten hätten.
An dieser Stelle sei noch auf ein besonderes Problem hingewiesen:
Allzu oft wurden und werden - z.B. aus Kostengründen - männliche Pflegekräfte zu weiblichen Pflegeabhängigen geschickt. Selbstverständlich kann das sinnvoll sein, doch dann müssen sich alle Beteiligten bewußt sein, dass dies zu heiklen Situationen führen kann. Daher sollte der Ausgangspunkt immer sein, dass selbstverständlich gleichgeschlechtliche Pflegekräfte eingesetzt werden und nur im Ausnahmefall davon abgewichen wird. Es kann nicht angehen, dass manche Pflegedienste auch heute noch ausschließlich ZDL einsetzen und selbstverständlich davon ausgehen, dass auch pflegeabhängige Frauen mit diesen jungen (manchmal allzu jungen) Männern per definitionem zurechtkommen (und umgekehrt).

Anwerbung (per Zeitungsannonce? Wenn ja: in welcher Zeitung, mit welchem Text?), Vorgespräche und Einführung und Auswahl der Pflegekräfte sind entscheidende Weichenstellungen. Insbesondere die Darstellung der Kunden und der dort zu leistenden Tätigkeiten sind entscheidend für die Einstellung der Pflegekräfte im Alltag.
Auch wenn Laienhelfer in der Regel keine Ausbildung haben und auch keine brauchen, sollten sie doch auf ihren Einsatz - zur eigenen Sicherheit und zu der der Pflegeabhängigen - vorbereitet werden.
Auch im Alltag ist es für HelferInnen wichtig, Ansprechpartner zu haben, um bei Unklarheiten und Problemen nicht das Gefühl zu haben, allein dazustehen. Auch Supervision für HelferInnen ist sinnvoll.

So wichtig auf der einen Seite Zuverlässigkeit und Absicherung der Helfereinsätze sind, so fraglich ist es, wenn daraus ein starres Schema wird. Solange das alltägliche Leben zu unterschiedlichen Tagesabläufen führt, müssen auch kurzfristige Änderungen der Einsatzpläne möglich sein. Wichtig ist dabei die einvernehmliche Absprache zwischen Pflegeabhängigen und Pflegekräften; allerdings kann es Situationen geben, in denen Zuverlässigkeit und Flexibilität im Widerspruch stehen. Auch diese Fragen sind zwischen den direkt Beteiligten zu klären, der Pflegedienst sollte dabei nur vermittelnde Funktion haben.

Die Pflegeversicherung hat zu komplizierteren Abrechnungsmodellen geführt, und lokale Unterschiede erschweren allgemeine Aussagen weiter. Sinnvoll ist auf jeden Fall die Abrechnung nach Zeiteinheiten, nicht nach Tätigkeiten ("Modulen"). Es muss klar erkennbar sein, welche Stunden zu welchem Preis geleistet werden, und der jeweilige Leistungsnachweis sollte bei der/dem Pflegeabhängigen geführt oder zumindest für sie/ihn jederzeit einsehbar sein. Von vornherein muss klar sein, wer die Kostenübernahme durch den/die Kostenträger (Pflegekasse, Sozialamt, evtl. andere) besorgt und ob die/der Pflegeabhängige selbst einen Teil bezahlen muss.

 

 

Haftung und Versicherung sind Fragen, die gravierende Auswirkungen haben können. Hier gibt es ein ganzes Bündel denkbarer Versicherungsfälle und Konstellationen: Geht es um Personenschaden, ist der Pflegeabhängige verletzt oder die Pflegekraft? Handelt es sich um einen Sach-Schaden, und wenn ja, wem gehört die Sache? Es ist z.B. nicht ganz einfach, eine Sachversicherung zu finden, die eintritt, wenn die Pflegekraft Hausrat des Pflegeabhängigen beschädigt. Heikel sind auch Kfz-Versicherungen: Wer fährt wann wessen Auto? Ist die Fahrt der Pflegekraft mit dem eigenen Pkw eine Dienstfahrt? Solche Fragen sollten zumindest in wesentlichen Teilen geklärt sein.

Abgesehen davon, dass der Schutz der Privatsphäre eines Menschen moralisch geboten ist, ist dieser Schutz auch im Zusammenhang mit Datenschutz zu gewährleisten. Sowohl innerhalb des Pflegedienstes und im Umgang mit den Pflegekräften ist darauf zu achten, dass persönliche Details nur in einem unausweichlichen Maß "veröffentlicht" werden, erst recht gilt das im Verhältnis von Pflegedienst zu Dritten, z.B. Kostenträgern. Es ist im Alltag manchmal verführerisch einfach, als Pflegedienstleitung "eben mal" wegen Frau F. oder Herrn B. bei Pflegekasse oder Sozialamt anzurufen...

Die von der Pflegekasse geforderte Pflegedokumentation kann in sehr unterschiedlicher Form existieren. Sie ist einerseits ein Element zum Leistungsnachweis und gehört aus diesem Grund zusammen mit dem Stundenblatt zusammen mit dem Dienstplan in die Hand des Pflegeabhängigen, zumindest aber muss selbstverständlich sein, dass Pflegeabhängige die über sie geführten Daten einsehen können. All diese Unterlagen müssen auch in einer Form geführt werden, dass sie verständlich und damit einsichtig und plausibel sind. Dies gilt auch für den Leistungsnachweis, der ja Grundlage für die Abrechnung ist.

Über die Frage der praktischen Ausgestaltung der Helfereinsätze hinaus haben Pflegedienste und ihre Träger auch eine politische Ausrichtung. Auch hier ist zu fragen, welchen Einfluß die KundInnen haben - sowohl auf die verbandspolitische Ausrichtung des Pflegedienstes als auch auf die Wirkung des Pflegedienstes bzw. seines Trägers nach außen, z.B. bei Anhörungen, Gesetzesinitiativen, Verhandlungen mit Kostenträgern etc. Ist bei all diesen Angelegenheiten eine Einflußnahme der Pflegeabhängigen erwünscht? ist sie möglich?

 

Pflegeabhängige sind mit unterschiedlichen Anforderungen konfrontiert, und oft führen Unsicherheit und Mangel an Erfahrungen dazu, dass "Experten" dann lieber gleich Entscheidungen an ihrer Stelle treffen, sie "betreuen" und bevormunden. Um dem vorzubeugen, sind Kontakt und Erfahrungsaustausch zwischen den KundInnen ein wichtiger Punkt. Sinnvollerweise ergibt sich daraus auch die Wahl einer Kundenvertretung, die analog einem Betriebsrat die Interessen der KundInnen vertritt, aber auch bei Konflikten sachdienliche Lösungsmöglichkeiten finden kann. Hierzu sind neben dem Vertrauen der KundInnen und Sachverstand auch Kompetenzen notwendig, sonst würde eine solche Kundenvertretung zur Alibi-Funktion.

Wenn Pflegeabhängige nicht vereinzelt einer mehr oder weniger gut organisierten Institution gegenüberstehen sollen, muss der Austausch unter ihnen gefördert werden. Ein Pflegedienst, der das für "nicht nötig" hält, ist eher suspekt. Wenn dagegen Pflegeabhängige als aktive Subjekte betrachtet werden, so sind diese Vernetzungsmöglichkeiten wesentlich, zumal es in vielen Einrichtungen Versammlungen, Fortbildung, Betriebsrat und Supervision längst gibt - allerdings eben nur für die MitarbeiterInnen.
Supervision gibt es in vielen sozialen Einrichtungen - das wären in unserem Fall Einsatzleitung und evtl. Pflegekräfte des Dienstes. Je aktiver jedoch die Rolle der Pflegeabhängigen selbst ist, desto wichtiger ist auch für sie Supervision.

Für den Arbeitskreis:
Hans-Georg Döring
Hannes Heiler


Anhang

Beispiele für Punkte, die in Pflegeverträgen bedacht und geregelt werden sollten:

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