Was ist Assistenz?
Assistenz ist im weitesten Sinne die individuelle Unterstützung für einen Menschen mit Behinderung. Diese geschieht nach seinen Wünschen, so dass er ein selbstbestimmtes Leben führen kann, und ist von Mensch zu Mensch je nach Interessen, Lebensführung und Behinderung sehr individuell. Die Assistenzleistungen können alle Lebensbereiche des jeweiligen Menschen mit Behinderung betreffen, je nachdem welche Unterstützung er benötigt.
Man unterscheidet dabei verschiedene Assistenzarten. Diese müssen jedoch nicht immer von verschiedenen Personen ausgeübt werden, die Grenzen sind oft fließend. Menschen mit einem hohen Assistenzbedarf benötigen meist ein Team von mehreren Assistentinnen und Assistenten, die sich die Arbeit untereinander nach einem Dienstplan aufteilen. Die Assistenzleistungen können im Dienstleitermodell gestaltet werden, welches der Struktur eines Pflegedienstes ähnlich ist, oder im Rahmen des Arbeitgebermodells mit Unterstützung durch den selbst e.V.
Unsere Kunden nutzen alle das Arbeitgebermodell. Das bedeutet, dass der Assistent bzw. die Assistentin direkt bei dem jeweiligen Kunden angestellt ist (dem Assistenznehmer), der die Unterstützung braucht. Der Assistenznehmer ist also gleichzeitig der Arbeitgeber des Assistenten. So erhält der Assistenznehmer das Maximum an Selbstbestimmung, damit er sein Leben nach seinen Wünschen und Vorstellungen gestalten kann.
Assistenznehmer, Kunden, Betreute oder wie oder was?
Vor Jahren war beinahe überall von „Betreuten“ die Rede, wenn man von HilfeempfängerInnen der Hilfe zur Pflege sprach. Auch im Privatbereich, also wenn Mutter oder Tochter pflegten, sprach man von Betreuten. Der amtliche Begriff „Pflegebedürftiger“ klingt auch nicht viel besser, kam (und kommt) fast nur in amtlichen Dokumenten vor.
Neuerdings ist manchmal von AssistentInnen die Rede, während die Allgemeinheit immer noch von HelferInnen oder PflegerInnen spricht. Das berührt den Unterschied zwischen ausgebildeten Pflegekräften und Laienhelfern, die keine formale Qualifikation brauchen. Doch das ist ein anderes Thema. Wo man gern von Assistenz redet, werden diejenigen, die Hilfe brauchen, als Assistenznehmer bezeichnet. Das ist sicher formal korrekt, aber eben auch im alltäglichen Sprachgebrauch ein allzu sperriger Begriff.
In Bayern sprach man übrigens einige Zeit von „Hipfl“ und „Zupfl“ – Begriffe, die zur Zeit der Zivildienstleistenden nur unter Kennern gebräuchlich waren. Ausgeschrieben bedeutete das „Hilfspfleger“ und „zu Pflegende“.
Wir als Vereinsmitarbeiter sprechen in der Regel von „Kunden“, denn nicht alle, die unsere Unterstützung benötigen, sind pflegebedürftig. Weitere Hilfebedarfe werden z.B. über die Schublade Eingliederungshilfe berücksichtigt. Der Landeswohlfahrtsverband benutzt die Begriffe „kompensatorische“ und „qualifizierte Assistenz“ und spricht von „leistungsberechtigten Personen“.
Wir verwenden den Kundenbegriff um zu signalisieren, dass es um Dienstleistungen geht, die individuell auf den einzelnen Menschen abgestimmt sind, die also „kundenzentriert“ erbracht werden. Der Begriff des „Kunden“ ist im alltäglichen Sprachgebrauch eng mit dem des passiven „Konsums“ bzw. des manipulierbaren „Konsumenten“ verwoben. Er erhält dadurch einen negativen Anklang, der sich störend auf den von uns verwendeten Kundenbegriff auswirken könnte.
Um dem zu begegnen ist es für uns als Vereinsmitarbeiter besonders wichtig, dass Kunden selbst aktiv werden, um ihr Leben zu gestalten. Der Begriff des „Kunden“ ist sicher nicht unproblematisch, dennoch müssen wir irgendeinen Begriff verwenden.
Uns erscheint es sinnvoller, direkt von Herrn X oder Frau Y zu sprechen und von deren konkreten Anforderungen, Interessen und Bedürfnissen. Wir denken, es ist wichtiger, sich ganz konkret um die Belange einzelner Personen zu kümmern, als an abstrakten Begriffen zu feilen.
Daher bleiben wir bis auf Weiteres im selbst e.V. Sprachgebrauch dabei: Wir reden von HelferInnen und KundInnen, wenn wir allgemein über das Arbeitgebermodell sprechen. Ansonsten ist es immer sinnvoller, über die Situation von konkreten Menschen zu reden – und noch besser: mit ihnen.
Die verschiedenen Helferarten / Assistenzarten
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Helfer / Alltagsassistenz
Eine Alltagsassistenz unterstützt den Assistenznehmer in seinem Alltag beispielsweise beim Einkaufen, Kochen oder Wäschewaschen. Bei allen Assistenzarten ist jedoch wichtig zu beachten, dass die Assistenztätigkeiten genauso individuell sind wie der Assistenznehmer. Ist der Assistenznehmer beispielsweise blind so kann es zur Aufgabe der Alltagsassistenz gehören die Post vorzulesen.
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Freizeitassistenz
Auch hier sind wieder die individuellen Interessen zu beachten. Ob es ins Kino, ins Fußballstadion oder zum Mal-Kurs gehen soll – die Assistenz begleitet den Assistenznehmer bei seinen Freizeitaktivitäten und unterstützt ihn, wo es nötig ist.
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Pflegehelfer/Pflegeassistenz
Zu den Aufgaben eines Pflegehelfers zählen alle pflegerischen Tätigkeiten. Das betrifft zum Beispiel das Begleiten auf die Toilette, das Duschen, Anziehen oder auch das Anreichen von Essen.
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Elternassistenz
Die Elternassistenz unterstützt den Assistenznehmer bei seiner Elternschaft. Wichtig dabei ist, dass die Entscheidungen für die Lebens- und Erziehungsfragen des Kindes ausschließlich vom Assistenznehmer (Eltern) getroffen werden.
Wenn ein Elternteil körperlich so stark beeinträchtigt ist, dass z.B. eine Lähmung der Arme und Hände besteht, ist es die Aufgabe der Elternassistenz, das Kind beispielsweise zu wickeln, zu füttern oder auch mit ihm auf dem Spielplatz herum zu toben. Dabei müssen das Alter und die Interessen des Kindes berücksichtigt werden, aber ebenso die Wünsche und Vorstellungen des körperbehinderten Elternteils (Assistenznehmer).
Nähere Informationen unter behinderte-eltern.de
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Arbeitsassistenz
Die Arbeitsassistenz unterstützt den Assistenznehmer während seiner Arbeitszeit. Ob bei einer Bürotätigkeit oder im handwerklichen Bereich, die Assistenz unterstützt in den Bereichen, in denen es nötig ist.
Es kann sein, dass für einen Rollstuhlfahrer von ganz oben im Regal ein Ordner heruntergereicht werden muss. Ein sehbehinderter oder blinder Arbeitsassistenznehmer benötigt vielleicht Hilfe zum Vorlesen der Geschäftspost. Andere berufstätige Arbeitsassistenznehmer müssen zu Außenterminen begleitet werden. Auch hier ist das Tätigkeitsfeld wieder sehr individuell. Wie auch bei den anderen Arten von Assistenz ist es sehr wichtig, dass die Assistenzkraft genau auf die Anweisung des Assistenznehmers achtet.
Für alle Tätigkeiten der Assistenzkraft am Arbeitsplatz gilt, dass es bei einer teilweisen Übernahme bleiben muss. Der Assistenznehmer muss die Kerntätigkeiten an seinem Arbeitsplatz mit den in Ausbildung oder Studium erworbenen Kernkompetenzen selbst ausüben.
Nähere Informationen hier:
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Schulassistenz (Integrationshelfer)
Die Schulassistenz begleitet den schulpflichtigen Assistenznehmer in die Schule und bis in den Klassenraum. Dabei ist es wichtig, dass die Assistenzkraft individuelle Hilfestellungen für den Assistenznehmer gibt. Sie soll nicht als zusätzliche Betreuungsperson oder als Vertretungslehrer auftreten. Es ist wichtig, den Schüler in seiner persönlichen Entwicklung zu unterstützen und einen normalen Umgang mit den anderen Schülern zu fördern. Zu den Aufgaben des Integrationshelfers gehört auch, den Schüler im Umgang mit den Schulmaterialien zu unterstützen oder diesen auf Schulausflügen zu begleiten.
Nähere Informationen unter verwaltungsportal.hessen.de
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Studienassistenz
Die Studienassistenz begleitet den Studenten mit Behinderung in die Universität (Wegeassistenz) und bei der Teilnahme an Seminaren und Exkursionen. Auch bei Besuchen in der Bibliothek oder bei Vorlesungen im Hörsaal ist die Assistenzkraft dabei und unterstützt den Assistenznehmer, wo immer es nötig ist. Auch hier ist - wie bei allen anderen Assistenzarten - auf die Anweisungen des Assistenznehmers zu achten.
Nähere Informationen unter uni-frankfurt.de